Wartezeit und Fremdbewerbung: Von der Theorie zum Kind 

Wie im Kapitel "Bewerbungszeit" beschrieben, konnten wir trotz Anerkennung nicht so unbeschwert auf die vor uns liegende spannende Wartezeit blicken. Das Gefühl, dass unser Heimatjugendamt uns nicht belegen würde bzw. sich keine Herkunftseltern finden würden, die uns als gleichgeschlechtliches Paar akzeptierten, ließ uns nach weiteren Optionen Ausschau halten. Gleichzeitig versuchten wir unser normales Leben - wie uns empfohlen wurde - weiterzuleben. Die eine begann einen Sprachkurs, die andere widmete sich einem neuen Instrument. Und gemeinsam träumten wir von einem Leben zu Dritt. Der anfängliche Sprung zum Anrufbeantworter bei jeder Heimkehr mit der Hoffnung auf einen Anruf durchs Jugendamt legte sich bei uns relativ schnell. 

 

Durch Recherchen im Internet hatten wir von der Möglichkeit einer Fremdbewerbung gehört. Fremdbewerben heißt, dass man sich an ein  Jugendamt wendet, in dessen Bezirk man nicht lebt. Diese Möglichkeit steht einem offen, wird jedoch oft von Heimatjugendämtern nicht unterstützt bzw. verhindert, in dem keine Freigabe erfolgt oder Unterlagen nicht weitergegeben werden. Der Grund hierfür ist, dass das Heimatjugendamt bei einer Belegung durch ein Fremdjugendamt die eigenhändig ausgebildeten Pflegeeltern verliert und zudem die Betreuung des Pflegekindes nach 2 Jahren wieder übernehmen muss. Das Pflegekind wird nämlich die ersten 2 Jahre der Pflegschaft durch das Jugendamt der leiblichen Mutter betreut und danach durch das Jugendamt am Heimatort des Pflegekindes.

 

Und während ich so unzählige Jugendämter außerhalb unserer Heimatstadt anrief, Listen und tolle Gespräche mit Jugendamtsmitarbeitern am Telefon führte und mir dabei so gar nicht diskriminiert fühlte, ergab sich ein Zufall, dass uns ein gleichgeschlechtliches Paar mit Pflegekind von ihrem Jugendamt berichtete, das händeringend Pflegeeltern für ganz kleine Kinder suchte. Ein Anruf klärte, dass die dort arbeitende Sozialpädagogin sogar an uns interessiert war, obwohl wir 450km von diesem Jugendamt entfernt leben.

 

Zwischenzeitlich bemühte sich unser Heimatjugendamt dann doch um uns: die in der Bewerbungszeit gefallenen Sätze wurden relativiert, es wurde sich entschuldigt und gebeten, mit der Fremdbewerbung noch zu warten und uns wurde einen Kindervorschlag unterbreitet, auf den wir uns einließen, für den wir dann aber im Vermittlungsteam nicht ausgewählt wurden.

 

Unser Entschluss war jedoch gefallen - wir ließen uns nicht mehr aufhalten: Nachdem unsere Unterlagen von unserem Heimatjugendamt aus weitergeleitet worden waren, machten wir 2 Termine für ein Vorstellungsgespräch aus: den ersten in der nächstgrößeren Stadt und den anderen in der oben genannten 450km entfernten Kleinstadt.

 

Letzteres war ein Volltreffer: wir fühlten uns von Anfang an in diesem Jugendamt sehr willkommen und waren fachlich von der Arbeitsweise dort überzeugt. Die Entfernung zwischen unserem Wohnort und dem Jugendamt sollte kein Problem darstellen, wenn man leibliche Eltern findet, die des Reisens mächtig sind und wenn wir bereit wären, auch teilweise die Strecke zu fahren, um einem Kind Besuchskontakte mit seinen leiblichen Eltern zu ermöglichen.

Die Sympathie beruhte wohl auf Gegenseitigkeit, denn eine Woche nach unserem dortigen Vorstellungsgespräch erhielten wir einen Anruf. In der festen Überzeugung, dass uns nun lediglich mitgeteilt wird, ob sich das Jugendamt eine Zusammenarbeit mit uns vorstellen kann oder nicht, ging ich ans Telefon. Und legte am Ende geschockt, aufgeregt und unglaublich berührt auf: ein 4,5 Monate altes Mädchen wartete auf uns!  

 

 

 

von uns (unvernünftigerweise) vor unserem Kindervorschlag gekaufte Schühchen,

die dann glücklicherweise eine Benutzerin - unsere Tochter - fanden:-)