Es geht los: die Bewerbung beim Jugendamt

So wie jedes Jugendamt anders arbeitet, so unterscheidet sich auch die Bewerbungsphase von Amt zu Amt. Viele Bestandteile unserer Bewerbung finden sich so aber auch bei vielen anderen Jugendämtern.

Unsere Bewerbung beim Jugendamt dauerte 9 Monate (es kam mir wie eine Ewigkeit vor:-). Insgesamt hatten wir

7 Stationen zu durchlaufen:

  1. Informationsabend
  2. Schriftliche Unterlagen einreichen
  3. Gespräch als Paar
  4. Einzelgespräche
  5. Vorbereitungsseminar
  6. Hausbesuch
  7. Abschlussgespräch

1. Der 2 stündige Informationsabend muss in unserem Jugendamt immer zu Beginn besucht werden. Hier wird ganz allgemein zum Thema Pflegschaft informiert. Am Ende wird man seiner entsprechenden Sozialpädagogin zugeteilt, bei der man sich meldet, sollte man den Weg weiter gehen wollen. Nachdem der Informationsabend für uns keine abschreckenden Neuigkeiten zu Tage förderte, taten wir dies kurz darauf und erhielten einen Stapel an schriftlichen Unterlagen, die wir dem Jugendamt ausgefüllt zurück schicken sollten.

 

2. Für das Ausfüllen der Unterlagen haben wir uns ca. 3 Monate Zeit gelassen. Hier haben wir nochmal einen wichtigen Prozess durchlaufen. Wir sind sozusagen intensiv mit der Idee einer Pflegschaft "schwanger gegangen". Neben einem Basisbogen, mit dem unsere Grunddaten, Finanzen, unsere Wohnsituation und Auskünfte zu unseren Herkunftsfamilien erhoben wurden, mussten wir eine ärztliche Bescheinigung einreichen, die bestätigte, dass wir körperlich und psychisch in der Lage sind, ein Kind bei uns aufzunehmen.

In einem weiteren Fragebogen ging es dann ans "Eingemachte". Hier mussten wir zum einen persönliche Fragen u.a. zu unserer Motivation, unserer bisherigen Kinderlosigkeit, unseren Stärken und Erfahrungen im Umgang mit Kindern, unserem Freundeskreis und unseren Hobbys sowie zu unseren Erziehungsvorstellungen beantworten. Zum anderen wurden wir zu unseren Vorstellungen von den Herkunftseltern und dem Leben mit einem Pflegekind befragt und mussten angeben, was für ein Kind wir uns vorstellen können, was z.B. das Alter, die Hautfarbe, die Herkunft, Behinderungen und Verhaltensauffälligkeiten betrifft und was für uns Ausschlusskriterien beim Kind sowie bei den leiblichen Eltern sind. Diesen Teil fanden wir sehr befremdlich. Natürlich war uns klar, dass dies sehr wichtig ist (übrigens auch in Bezug auf die Herkunftsfamilie). Dennoch kam man sich z.T. wie beim Ausfüllen einer Bestellung vor. All diese Fragen musste jeder für sich beantworten. 

Auch an den Lebensberichten saßen wir lange. Zum einen wollten wir uns so zeigen, wie wir sind. Zum anderen war uns wichtig, dass die Berichte die nächsten Jahre getrost von Schreibtisch zu Schreibtisch wandern können, ohne dass wir uns in 10 Jahren die Frage stellen, was um Gottes Willen wir da alles erzählt haben. Wir hielten uns genau an die vom Jugendamt gemachten Vorschläge: Kindheit, Verhältnis zu den Eltern und Geschwistern, Schul- und Berufsausbildung, Berufstätigkeit, Kennenlernen der Partnerin, wann und wodurch entstand der Entschluss ein Kind in Vollpflege aufzunehmen. Jeder von uns brachte es so auf 2,5 mit großen Absätzen formatierte computergeschriebene Seiten. Diese enthielten auch schwierige Punkte, wie z.B. psychische Erkrankung, Therapieerfahrungen oder problematische Beziehungen zu den eigenen Eltern. Wichtig war uns, dies zu benennen (da dies z.T. auch durch den Bezug eigener Jugendhilfe nachweisbar gewesen wäre), es jedoch nicht auszubreiten, sondern vielmehr zu zeigen, wie wir diese Stolpersteine im Leben gemeistert und wie diese Erfahrungen uns geprägt und stark gemacht haben.

Nachdem wir abschließend unsere erweiterten polizeilichen Führungszeugnisse beantragt hatten, fügten wir unseren Unterlagen ein paar Fotos hinzu und gaben sie im Jugendamt ab. Der nächste Schritt war geschafft!

 

3. Nachdem unsere Unterlagen gesichtet worden waren, wurden wir zu einem Paargespräch eingeladen, in dem es noch einmal um viele Fragen aus dem Fragebogen ging und Teile unserer Lebensberichte näher beleuchtet wurden. Seltsamerweise weniger die Teile, die wir für diskussionswürdig erachtet hätten:-) Das Gespräch empfanden wir als angenehm. Zum Abschluss machte jeder von uns mit unserer Sozialpädagogin einen Termin für ein Einzelgespräch aus.

 

4. In den Einzelgesprächen ging es dann noch einmal um unsere Biographie. Wieder wurden hier meiner Meinung nach Dinge angesprochen, die ich persönlich im Gegensatz zu anderen Punkten im Lebenslauf nicht als so wichtig erachtet habe. So lautete die erste Frage an mich z.B. welchen Beruf meine Großmutter hatte. Über meine berichtete (überwundene) psychische Erkrankung mit anschließender Therapie wurde kaum gesprochen. 

 

5. Und dann war es soweit. Wir verbrachten 2 Wochenenden (4 Tage) im Jugendamt und nahmen mit 4 anderen Bewerberpaaren und 2 Einzelpersonen am Vorbereitungsseminar teil. Hier ging es z.T. um Fachinformationen zum Thema "Bindung" und "Trauma/(frühkindliche)Traumatisierung". Zum anderen wurden wir - teils durch Filme, teils durch Erzählungen - zu Besuchskontakten, Herkunftsfamilie und Leben mit einem Pflegekind informiert. Durch ein Rollenspiel wurde uns der gesamte Ablauf - vom Anruf mit dem Kindesvorschlag bis zur Übernahme des Kindes - näher gebracht. Ein weiterer Teil des Seminars bestand darin, sich über die eigene Person in Bezug auf Bindung, Traumatisierung etc. bewusst zu werden und die eigene Motivation zu überdenken. Ziel war es, dass jeder am Ende eine genauere Vorstellung von einer Pflegschaft hatte als vor dem Seminar und sich besser vorstellen konnte, was er leisten kann und was nicht.

 

6. Zwischen den zwei Seminarwochenenden erfolgte der obligatorische Hausbesuch, vor dem viele zukünftige Pflegeeltern zittern. So auch wir. Nie wieder werden wir eine so geputzte Wohnung haben und nie wieder wird es irgendwen so wenig interessieren wie unsere Dame vom Amt:-) Es war ihr sichtlich anzumerken, dass für sie der Hausbesuch zu den eher unangenehmen Aufgaben ihrer Arbeit gehört und so gingen wir einfach vom Flur ins Wohnzimmer (gut, bei 2 Zimmern und 48qm eher ein kurzer Weg), wo wir den Rest des Gespräches sitzen blieben. Neben unserer kleinen Wohnung, die kein Hindernis darstellte, solange uns bewusst war, dass wir uns mit Kind irgendwann vergrößern müssten, ging es dann nochmal um unsere Vorstellungen des/r zukünftigen Mitbewohners/in und wir konnten noch ein paar Fragen loswerden.  

 

7. Und dann war der große Tag des Abschlussgesprächs gekommen. Dies war dann jedoch weniger ein Gespräch. Vielmehr ging es um Informationen, wie es jetzt weitergehen würde: Wir sollten uns nun aufs Warten einstellen und - da wir ein gleichgeschlechtliches Paar sind - auf ein längeres Warten bis hin zum erfolglosen Warten. Außerdem mussten wir noch den über uns erstellten Bewerberbogen lesen, den unsere Soz.Päd. aufgrund der Gespräche und des Seminars über uns verfasst hatte. Hiervon waren wir sehr enttäuscht. Zum Teil fanden wir, dass Sachen falsch wiedergegeben wurden, zum anderen fragten wir uns, warum um die Bewerbung ein solches Prozedere gemacht wird, wenn am Ende ein DIN A4 Blatt mit 5 Stichpunkten darüber entscheidet, ob wir zu einem Kind passen oder nicht. Dies ist nämlich das Papier, was im Team bei der Entscheidung über eine Vermittlung herangezogen wird.

 

Unsere Bewerbung als gleichgeschlechtliche Pflegeeltern: Als gleichgeschlechtliches Paar haben wir die gleichen Stationen wie jede/r andere BewerberIn durchlaufen. Jedoch wurden wir immer wieder darauf hingewiesen, dass eine Vermittlung in unserem Fall länger dauern kann, da die leiblichen Eltern ein Mitspracherecht haben und bei vielen von ihnen Vorurteile vorherrschen. Das war für uns einleuchtend und in Hinblick auf eine Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern auch für uns wichtig, dass wir von diesen nicht von Beginn an abgelehnt werden. Leider gab es in unserem Fall jedoch noch zusätzliche Zwischenfälle im Verlauf der Vorbereitungsphase, so dass wir uns durch unser Jugendamt diskriminiert fühlten. Mit der Aussage am Telefon "wenn sie ein normales Paar wären, wären sie Ende des Jahres belegt" und dem Satz unserer Soz.Päd. im Abschlussgespräch  "bei manchen geht es schnell, andere warten lange und bei wieder anderen passiert es nie"  im Ohr, den sich kein anderes Bewerberpaar anhören musste, starteten wir deprimiert in die nun kommende Wartezeit.