Warum ich gerne in der Stadt wohne

Gestern hörte ich einen Kindergartenpapa von seinem neuen Zuhause schwärmen. Da gäbe es nur die Geräusche, die man selbst macht, das Leben fände draußen statt, artgerechte Haltung für Menschen eben. Ja, so formulierte er es. Klarer Fall: die Familie war aufs Land gezogen. Raus aus der Großstadt - meiner Stadt.

Nach Ansicht dieses Papas wohnen wir also hier in der Stadt nicht artgerecht. Die menschliche Legebatterie quasi. Wir könnten uns so leid tun, wenn, ja wenn wir uns denn so fühlen würden. Tun wir aber nicht.

Ich kann verstehen, wenn Leute raus aus der Stadt wollen, zeitweise vermisse auch ich einen Garten oder habe das Gefühl, dass dieses Grundrauschen in der Stadt einen ständigen Stresspegel darstellt. Gleichzeitig würde ich aber den Teufel dafür tun, aufs Land zu ziehen. Und schon gar nicht fürs Kind. Wenn dann für mich bzw. uns. Denn das Kind - so meine Meinung - wäre mir im herandwachsenden Alter nicht unbedingt dankbar für die Ruhe und ich müsste Dauertaxi spielen.

 

Ich lebe gerne in einer Wohnung, umgeben von anderen Wohnungen. Wohnen auf einer Ebene mit Menschen um mich herum, gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Dann betreibe ich auch unglaublich gern Small Talk. Da sind Nachbarn wirklich toll! Und am Besten sind Nachbarn, wenn es sogar darüber hinaus geht und sich eine Freundschaft entwickelt. Neben guten Freunden zu wohnen ist doch echt Luxus! An Natur mangelt es auch nicht. Wir haben einen Innenhof voller Kinder. Das ersetzt nicht den eigenen Garten, aber bietet doch viele Möglichkeiten. Und nur ein paar Gehminuten entfernt sind wir am großen Fluß unserer Heimatstadt und haben somit das Naherholungsgebiet der Städter direkt vor der Nase. Da ist also die Natur. Und wenn ich davon genug habe, dann setze ich mich in die U-Bahn und bin mitten in der Innenstadt, kann mich anonym fortbewegen und bin eine unter Vielen. Sehr entspannend! Gerade als Regenbogenfamilie!

 

Natürlich gibt es auch Nachteile: Kein Parkplatz vor der Haustür, keine Steckdose für den Camper, Lärm, wenn man ihn vielleicht grad gar nicht braucht...

 Am meisten ärgern mich jedoch die Mietpreise. Wir haben hier die höchsten Mieten Deutschlands und spüren persönlich die Auswirkungen: Viele Freunde ziehen weg, weil sie sich unsere Stadt nicht mehr leisten können. Viele Elternteile müssen die Kinder früher als sie es gerne hätten fremdbetreuen lassen, weil es ohne 2. Einkommen nicht geht. Flexibilität ist auch vorbei. Meine Überlegung, einmal ein paar Jahre irgendwo anders hinzugehen, wird im Kern erstickt, wenn ich daran denke, dass ich dann nicht wieder in meine Heimatstadt zurückkehren kann. Denn in ein paar Jahren werden wir die Mieten hier garantiert nicht mehr bezahlen können. Ja, hätten wir nicht vor 3 Jahren unsere jetzige Wohnung bezogen, dann sähe es schon jetzt schlecht aus. Wir werden diese Wohnung also bis zum bitteren Ende verteidigen!!!

Was mit uns im Alter passiert, darüber versuche ich nicht nachzudenken - wie viele in meiner Generation hier in der Stadt. Im Alter können wir uns die Miete sicher nicht mehr leisten. Aber jetzt können wir uns auch keine Wohnung als Vorsorge kaufen. Ansparen -ha! Darüber lächeln viele meiner Freunde nur müde. Zum Ansparen bräuchte man nämlich einen Überschuss. Und den hat auch nicht jeder...

 

Wir werden es trotzdem mal mit alt werden versuchen. Frei nach dem Motto: Alt werden ist nix für Feiglinge!

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