Und bei Dir so? Kondom geplatzt oder Wunschkind?

Immer öfter werde ich von mir nahe stehenden Personen darauf aufmerksam gemacht, dass manche Fragen, die mir völlig unbekannte Menschen stellen, dann doch eigentlich einen Schritt zu weit gehen. 

Mir selbst fällt sowas oft nicht auf. Laut meiner Frau leide ich diesbezüglich unter dem Rotkäppchen-Syndrom - bin also sehr gutgläubig, traue niemandem etwas Böses zu und gebe brav Antwort, wenn ich etwas gefragt werde.

 

Aber zurück zum Thema. Ich komme schnell mit Leuten ins Gespräch. Klassischer Small Talk halt. Passiert, wenn man unfreiwillig 50 Minuten nebeneinander steht, um das Kind auf der Schaukel anzuschubsen. Irgendwann komme ich im Gespräch dann oft an den Punkt, dass unser Kind 2 Mamas hat. Darauf folgt Erstaunen in den Augen meines Gegenübers und die nun kommende Frage kann ich dann mitsprechen: "Wer von Euch ist dann die leibliche (manchmal auch "richtige") Mutter?" 

Bisher hab ich dann immer wahrheitsgemäß geantwortet, dass keiner von uns das ist (meine Mutter sagte immer: etwas nicht zu sagen ist auch Lügen;-)) und dass unsere Tochter ein Pflegekind ist. Woraufhin die nächste Frage VOR DEM KIND lautet: "Achso, dann muss sie auch wieder zu den leiblichen Eltern zurück?" 

 

Lange Zeit hab ich drüber nachgedacht, wie ich aus dieser Pflegeelternnummer rauskomme (bei der einen Frage bleibt's ja nie) bzw. wie ich erst gar nicht reinkomme. Denn: 

  1. Ich will nicht vor meinem Kind ständig sagen, dass sie ein Pflegekind ist. Das klingt so "sie ist "nur" ein Pflegekind"-mäßig und außerdem stimmt es nicht - zumindest nicht in meinem Gefühl. Denn sie ist unser Kind, so wie andere (leibliche) Kinder auch die Kinder ihrer Eltern sind. 
  2. Ich beantworte wirklich gerne Fragen, aber nicht (mehr) vorm Kind. Vor allem nicht die Frage, ob sie wieder weg muss. Was soll denn mein Kind denken? Das macht ihr doch einfach nur Angst. Welches Kind will hören, dass es von seinen Eltern weg muss (wir sind definitiv für unser Kind ihre Eltern). Hier steht das Wohl meines Kindes eindeutig über dem Willen, die Gesellschaft über das Thema Pflegschaft aufzuklären. 

Mittlerweile ist mir aber - durch die eingangs erwähnten nahe stehenden Personen - aufgefallen, dass ich die "Fragestunde" schon etwas früher beenden sollte, nämlich zu dem Zeitpunkt, wenn ich danach gefragt werde, wer die leibliche Mutter ist. Dank Rotkäppchen-Syndrom habe ich wohl übersehen, dass die Frage, wer denn die leibliche Mutter sei, doch schon sehr intim ist. Ich frage ja auch nicht, ob das Kind meines Gesprächspartners auf natürlichem Weg gezeugt wurde, ob der eingetragene Vater auch der "richtige" Vater ist, ob es sich um ein Wunschkind handelt etc. 

 

Es ist nun also an der Zeit, sich neue Antwortstrategien zurechtzulegen. Auf die Frage, wer von uns denn die richtige Mutter ist, werde ich kurz und knapp antworten: "Wir Beide! Wir sind sowas von richtig!" Und auf die Frage, wer denn die leibliche Mutter ist, könnte ich mir vorstellen zu antworten: "Wir sind beide die Jeden-Tag-Mamas von unserem Herzenskind!" Der Rest geht niemanden etwas an.

 

Zum Schutz unserer Tochter (und meiner Stimmbänder);-)

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Kommentare: 1
  • #1

    SoHalt (Freitag, 04 August 2017 00:06)

    Hallo,

    vielen Dank für diesen Beitrag und überhaupt deinen Blog, auf den ich gerade erst gestoßen bin!

    Ich war gerade noch - spät abends - auf dem Forum pflegeeltern.de unterwegs, habe dies und jenes gelesen und bin dann noch mal auf der Suche nach guten Gedanken vorm Schlafengehen in "unsere Anfänge" zurückgekehrt:
    Wir haben eine sehr ähnliche Familienkonstellation wie ihr: 2 Frauen, eine Pflegetochter, die mit 5 Monaten zu uns gekommen ist und jetzt bald zwei wird.
    Vor also 1,5 Jahren habe ich auf pflegeeltern.de von "dem Anruf" und den ersten Vorgesprächen und unserer Aufregung erzählt und du hast uns alles Gute gewünscht und von eurer Anbahnung erzählt. Das habe ich gerade nachgelesen und bin darüber auf diesen Blog gekommen.. Soviel zur Vorgeschichte :)

    Was ich eigentlich schreiben wollte: Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung sehr sehr gut nachvollziehen, was du schreibst.
    Ich komme auch gern ins Gespräch, erzähle offen von mir - und gerate dabei in Bezug auf das Pflegeeltern-Thema in Gesprächssituationen, die ich eigentlich vermeiden möchte. Und gerade diese Frage: "Und muss sie dann zurück?" "Bleibt sie bei euch?" usw. hat mich von Anfang an sehr geärgert.
    Darauf antworte ich meistens einfach mit Ja, natürlich bleibt sie bei uns. Aber du hast Recht: Eigentlich gehen die Fragen davor schon zu weit, sind zu intim, manchmal auch übergriffig.

    Die Frage: "Sind Sie/ihr die leibliche/richtige Mutter?" kommt bei uns sehr häufig und sogar ohne Outing - weil unsere Tochter uns offensichtlich nicht ähnlich sieht.
    Deine Antwort finde ich sehr schön: Wir sind beide die richtigen Mamas. Das werde ich mal ausprobieren.
    Ich sage manchmal: "Unsere Tochter hat drei Mamas. Bei der ersten kann sie nicht leben, aber sie sieht sie regelmäßig." Dafür muss ich natürlich Lust auf ein daraus folgendes Gespräch haben..
    Ganz gut und ohne viel Nachfragen funktioniert manchmal: "Meine/Unsere Tochter hat zwei Familien, eine davon hat .. Migrationsgeschichte."

    Schwierig für mich und zunehmend auch für unsere Kleine finde ich auch:
    "Kommt der Papa aus.." Wir wissen gar nicht, wer der Vater ist.
    Aber was sage ich? - "Keine Ahnung. Vielleicht. Wir kennen den Vater nicht."
    Alles schon wieder ganz schön viel Information für eine scheinbar harmlose Small-Talk-Frage..

    Also, ich danke dir sehr für das Teilen deines Alltags und deiner Gedanken und freue mich Weiterzulesen.

    Gute Nacht!