Schwangerschaft, Geburt... - ich gebe zu: Auch ich hätt's gern erlebt!

Ich bin Tante geworden! Das erste Mal! Und mein Bruder und meine Schwägerin haben mich ganz doll eingebunden, damit ich so ne Schwangerschaft und Geburt auch mal ein bisschen miterleben darf (nein, ich war nicht bei der Geburt dabei;-) Heute habe ich dann meinen 16 Stunden alten Neffen begrüßt und durfte ihn ganz lang im Arm halten. Was für ein Wunder - jedes Mal aufs Neue schaue ich diese frisch geschlüpften Geschöpfe an und bin fasziniert. Ich freue mich wahnsinnig über unser neues Familienmitglied und dass alles so toll gelaufen ist. 

Gleichzeitig macht sich eine Traurigkeit in mir breit, die ich schon kenne. Sie nimmt immer dann Besitz von mir, wenn ich Schwangerschaft, Geburt und Neugeborenes im nahen Umfeld miterlebe. Denn ich kann es nicht verleugnen: ich hätte es so gerne auch mal erlebt! Von diesem Gefühl können mich nicht mal die schlimmsten Horrorgeschichten von Schwangerschaft und Geburt abhalten.

Wenn ich dieses Gefühl offen ausspreche, bekomme ich zumeist die Antwort, was denn dagegen spricht. Und es stimmt. Rein körperlich wäre ich dazu wahrscheinlich in der Lage. Allenfalls meine Partnerschaft mit einer Frau verkompliziert die Sache "etwas". Sagen wir einfach wie es ist: meine Frau und ich können zusammen kein Kind bekommen und alle Wege, die zu einem leiblichen Kind geführt hätten, hätten uns nicht entsprochen. Pflegschaft war unser Weg Nr. 1 zum Kind. Wir stehen da voll dahinter. Und dennoch überkommt mich an Tagen wie heute neben ganz viel Aufgeregtheit und Freude auch die Traurigkeit!

 

Ja, worum geht es dabei, frage ich mich...Leiblich - nicht leiblich? Ich persönlich habe eher das Gefühl, dass es bei mir da um etwas anderes geht. Ich beneide meinen Bruder und meine Schwägerin um die Vorfreude, die sie 9 Monate hatten. Um den Mutterschutz meiner Schwägerin, der es ihr erlaubte, sich in Ruhe aufs Kind einzustellen. Ich beneide sie um dieses zuckersüße minikleine Wesen, dass so unbeschrieben ist. Darum, dass es im Leben (und den 9 Monaten im Bauch) meines Neffen keine weißen Flecken gibt. Ich beneide sie auch um die kommenden Wochen. Sicherlich werden das harte Wochen - wie für so viele Frischlingseltern. Gleichzeitig wird ihnen gesellschaftlich alle Zeit der Welt zugestanden, sich als Familie zu finden. Die Mutter ist zu schonen etc.

 

Ich denke dann daran, wie wir Eltern wurden. Ein Anruf und alles stand Kopf. Aber immer noch mit einem großen Fragezeichen. 2 Wochen warten und vorbereiten für ein Kind, bei dem es sein kann, dass es doch nicht einzieht. Ab dem ok dann ein schnelles Kennenlernen, entscheiden, ob dies das Kind ist, mit dem man sein Leben teilt. Dann nochmal eine Woche, um tatsächlich alles vorzubereiten - neben dem Berufsleben, das es innerhalb ein paar Tagen abzuwickeln galt.

Dann unsere Maus: Zuckersüß, aber halt kein Neugeborenes mehr, das einem die Zeit lässt, in der Rolle als Eltern anzukommen, in dem man das Baby nur bestaunt, während es schläft. Unser Kind war nicht unbefleckt, nein es brachte seine Geschichte mit und mit ihr viele weiße Flecken in der Vergangenheit. Und als wir sie dann endlich bei uns hatten (nach 11 Tagen des Kennenlernens), da meinte jeder, dass mir jetzt die Sonne 24 Std aus dem Hintern scheinen müsste, weil ja mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen war. Dabei war ich einfach nur fertig, wie eine frisch gebackene Mutter eben und hätte Hilfe gut gebrauchen können, die mir nicht angeboten wurde und die ich auch abgelehnt hätte, weil ich mein Kind niemandem in den Arm geben wollte, aus Angst, ein Bezugspersonenwechsel könnte eine Bindungsstörung begünstigen. 

Während meine Schwägerin also z.B. mal durchschnaufen können wird, wenn jemand anderes das Kind in den kommenden Wochen für eine kurze Zeit "übernimmt" und auch weiterhin im Freundeskreis (soweit der Kleine das zulässt) präsent sein wird, haben wir uns - wie empfohlen - eingeigelt. Unsere Maus sollte sich auf uns konzentrieren. Wir haben sie nicht rumgereicht. Mit Familie und Freunden haben wir uns vorwiegend draußen getroffen. Ich kannte keine Gleichgesinnten, hatte noch keine Kontakte aus Schwangerschaftvorbereitungskurs, Rückbildung oder Pekip. Ja ich konnte ja nicht mal mitreden: Schwangerschaft, Geburt, Stillen. Ich war eine unter den vielen Neumüttern und war es doch nicht. Mein Kind war 5 Monate und ich musste es erst mal kennenlernen.

 

Fakt ist: Ich wurde damals Mutter wie meine Schwägerin heute - und doch war es ganz anders... Ich hatte plötzlich ein Kind und trotzdem war meine Situation so meilenweit entfernt von der meiner Schwägerin heute. Und - hinzukommend zu dieser Tatsache - war ich einfach "zu schnell" Mama geworden und brauchte ziemlich lange dafür, emotional zu sortieren, was da mit uns passiert war. Auch die Muttergefühle kamen erst mit der Zeit und damit meine ich nicht ein paar Tage. Ich würde sagen, dass ich erst nach einem Jahr in der Mutterrolle angekommen war - emotional. 

 

Und das ist dann glaube ich das, was mich an so glücklichen Tagen wie heute so traurig macht: Ich wäre auch gerne mal in diesem Leben "normal" Mutter geworden, mit allem was dazugehört: das davor, das mittendrin und das danach und vor allem das drumherum. Einfach sein Kind in Ruhe empfangen dürfen, ohne im Hinterkopf all die Psychologie zum Thema Trauma, Bindungsstörung, Schwangerschaftsschädigungen zu wälzen. 

Für unseren Weg zur Elternschaft gibt es einfach keine gesellschaftlichen Konventionen, die greifen. Jeder schwimmt: wir als neue Eltern, für die normale Elternratgeber nicht zutreffen und unser Umfeld, für die wir auch in kein Schema passen.

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Kommentare: 3
  • #1

    Carina (Donnerstag, 27 Juli 2017 16:42)

    Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Tante ;-)

    Und vielen Dank für Deine Gedanken, die genauso meine sind. Als PM ohne LK fehlen uns viele wichtige Erfahrungen und auch ich trauere oft einer nicht erlebten Schwangerschaft, Geburt und der Säuglingszeit nach. Ich denke, diese Gefühle dürfen wir auch haben, sie gehören zu uns.

    Und unsere Geschichte ist dann auch eng mit der unserer PKs verbunden: das, was wir mit ihnen nicht erleben durften, durften sie auch nicht mit uns erleben. :-/
    Das macht mich traurig, auf der anderen Seite bin ich dennoch dankbar, dass wir die Kindheit mit unserem Kind erleben dürfen. Und ich hoffe, unsere PT sieht das irgendwann auch mal so ;-)

  • #2

    Regenbogenalltagswogen-Mama (Donnerstag, 27 Juli 2017 19:37)

    Vielen Dank für die Glückwünsche. Ja ich bin wirklich stolze Tante:-)
    Was du schreibst hat mich sehr berührt. Ja, du hast es gut in Worte gefasst, was mich als PM oft bewegt. Vielen Dank dafür!

  • #3

    Sina (Montag, 16 Juli 2018 10:03)

    ...
    Ich wollte dir sagen, dass ich deinen Blog ganz wunderbar finde und sehr dankbar bin ihn lesen zu können- denn auch wir denken seit längerem intensiv über eine Pflegschaft nach. Viele reagieren skeptisch, da man so viel 'schlechtes' hört, sodass auch wir ein wenig ängstlich geworden sind. Da tun deine Erzählungen, aus denen so viel Liebe spricht, sehr gut :) und zugleich verstehe ich so gut, dass du einer erlebten Schwangerschaft etwas nachtrauerst.
    Gerade sind mein Mann und ich dabei, den Bewerberbogen auszufüllen und so viele Fragen gehen mir durch den Kopf...Eben auch, wie es ist NIE schwanger gewesen zu sein. Wärst du vielleicht bereit, dich mal mit mir auszutauschen? Auf irgend einem Wege? Das wäre toll, denn auch wir kennen noch keine anderen Pflegeeltern.
    Einen lieben Gruß von Sina