Biographie...was? - Biographiearbeit!

Was machen brave Pflegemamas, wenn sie das Kind 2 Tage bei den besten Freunden lassen? Paarzeit, Faulenzen, in den Tag hineintrödeln? Nein, natürlich nicht! Sie fahren in die Schweiz und bilden sich fort. Und zwar zum Thema Biographiearbeit.

 

 

Biographie-was? Werden sich nun einige fragen. Was ist denn das? Und weil das andere kluge Menschen schon gut beschrieben haben, füge ich an dieser Stelle ein Zitat ein:

"Der Begriff Biografie (...) heißt der Wortbedeutung nach Lebensbeschreibung. Während ein "Lebenslauf" eher objektivierbare Daten enthält, umfasst die Biografie auch die emotionale Entwicklung und Auseinandersetzung mit kritischen Lebensereignissen. Biografiearbeit hilft nicht nur erwachsenen oder älteren Menschen bei der Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, sondern ist auch eine hervorragende Methode für Kinder, ihre spezifische Lebens- und Familiensituation (Heimerziehung, Pflegefamilie, Adoptivfamilie, Patchworkfamilie u.v.a.m.) besser zu verstehen. Biografiearbeit umfasst das Erarbeiten und Besprechen der Lebensereignisse. Zugleich soll ein konkretes Ergebnis, eine Dokumentation, ein Produkt entstehen: ein Lebensbuch, ein Brief,ein Schnellhefter mit Urkunden, Fotos, gemalten Bildern, (...).Dokumentierte Erinnerung hat mehr Verbindlichkeit und Beständigkeit, als das gesprochene Wort. Sie wird nicht umgedeutet oder verdrängt und kann bei Bedarf wieder hervorgeholt werden."

(Latschar, B. & Wiemann, I. (2013). Mädchen und Jungen entdecken ihre Geschichte. Grundlagen und Praxis der Biografiearbeit (4.Aufl.), Weinheim/Basel: Beltz Juventa)

 

Es trafen sich also ca. 20 Menschen - die meisten Pflege- oder Adoptiveltern - um eine Idee davon zu bekommen, wie man auch gerade schwierige Themen in der Biografie seiner angenommenen Kinder ansprechen und festhalten kann. Dazu muss man sagen, dass es in der heutigen Zeit Gott sei Dank ein Bewusstsein dafür gibt, dass es für die kindliche Entwicklung und v.a. für die Identitätsentwicklung wichtig ist, seine eigene Biografie zu kennen - sei sie auch noch so schwer. Und so leisten viele Pflege- undAdoptiveltern Biografiearbeit ohne dies bewusst zu tun, indem sie Informationen zur Herkunft sammeln, die leiblichen Eltern um Fotos bitten etc... Auch wir waren und sind schon kräftig dabei und auch im Alltag spielt für unser Kind seine Biografie eine wichtige Rolle. So dürfen wir z.B. immer wieder die Geschichte ihrer Ankuft bei uns erzählen. 

 

Zurück zum Seminar. Hier wurden viele Einzelfälle (auch unserer) genau unter die Lupe genommen (bzw. nachgestellt) und man bekam konkrete Tipps und Ideen gerade für die Wortwahl. Hierbei faszinierte uns alle die Seminarleitung Irmela Wiemann, wie diese selbst die schwierigsten Themen in kindgerechte Erklärungen verpacken konnte. Themen wie Drogenkosum, Verweigerung der Vaterschaft, Elternteil unbekannt, Elternteil im Gefängnis etc...

Toll war auch eine Familie, die bereits eine Tiergeschichte für ihr Pflegekind verfasst hatte und uns einen kleinen Einblick erlaubte.

Und so fuhren wir nach 2 Tagen mit viel Input wieder zurück, um unseren Wirbelwind in Empfang zu nehmen, der 2 tolle Tage auf dem Bauernhof bei unseren besten Freunden verbracht hatte. 

 

Gerade sind wir in der "Verdauungsphase". Meine Frau und ich haben jeweils ganz unterschiedliche Ideen für eine Lebensgeschichte für unsere Tochter. Mal sehen, wo wir uns treffen und was am Ende herauskommt. 

Was ich für mich persönlich mitgenommen habe ist, dass meine Einstellung den leiblichen Eltern gegenüber ein wichtiger Aspekt ist, dass es auch für schwere Themen nie zu früh ist und dass jede Geschichte für das Kind auch eine Lösung beinhalten soll. Auch wenn die Lösung z.B. nur lautet: Dies ist deine Geschichte und ich kann dir den Schmerz nicht nehmen. Aber wenn man dem Schmerz im Leben einen Platz gibt, dann kann man auch wieder glücklich sein.

 

Anbei ein paar Fotos aus dem Ordner, den wir vom Jugendamt beim Einzug unserer Tochter mitbekommen haben. Hier betreiben wir schon aktiv Biografiearbeit, in dem wir immer mal wieder etwas festhalten, Briefe und Bilder sammeln und z.B. neue Infos über die leiblichen Eltern notieren. Der Ordner wird herausgegeben vom Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e.V., Berlin. (http://kompetenzzentrum-pflegekinder.de/publikation/erinnerungsbuch-fuer-pflegekinder/)

 

 

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